Mit dem Tretroller durchs Baltikum reisen – auf 2 Rädern durch Estland – Lettland – Litauen

Durchs Baltikum reisen kann jeder – Lukas wagt seinen Baltikum-Urlaub mit Zelt, Schlafsack und vor allem einem Tretroller! Sein Abenteuer führt ihn durch Estland, Lettland & Litauen. Dabei schließt er unendlich viele Freundschaften – wenn auch manche davon unfreiwilligerweise mit Insekten aller Art. Die Begegnungen und Erlebnisse seines Baltikum-Urlaubs lassen sich schwer in Worte fassen – doch ihm gelingt es dennoch in diesem tollen Reisebericht!

Mit dem Tretroller durch die Baltikum-Länder reisen

Mit einem Tretroller, Zelt und Schlafsack über 900 km durch alle drei Baltikum-Länder.
Auf der Route von Tallinn bis Vilnius durch Wälder, Seen und einsamen Straßen fahren.

Ich wachte gegen Mitternacht in meinem Zelt auf, es war recht hell draußen. Die Sonne ist wohl gerade untergegangen, dachte ich mir. Zwei Stunden später wachte ich wieder auf. Schon wieder hell, die Sonne müsste also gleich aufgehen, glaubte ich. Erst im Nachhinein fiel mir ein, dass es hier gar nicht richtig dunkel wird.

Teil 1/3 – Durch Estland reisen

Die erste Etappe war Estland. Ein Land mit ca. 1,3 Millionen Einwohnern, wobei 500.000 alleine in der Hauptstadt Tallinn leben. Der Rest ist in kleinen Dörfern und Kleinstädten verteilt. Etwa 25 % der Einwohner sind Russen. Das hat für mich, gebürtigen Polen, einen kleinen Vorteil, da sich die polnische und russische Sprache ein wenig ähneln. Das reicht schon, um eine Kommunikation zu vereinfachen. Die estnische Sprache ist auf dem 7. Platz der schwierigsten Sprachen der Welt. Aber dennoch können viele in den Städten auch Englisch sprechen, somit ist man nicht immer verloren.

Es war heiß am ersten Tag, sicherlich über 30 Grad. Natürlich war die Aufregung groß, erster Tag in einem fremden Land, man spricht die Sprache nicht und es ist der Anfang einer Reise.
Aufgeregt fuhr ich auch die Autobahn entlang, natürlich in entgegengesetzter Richtung. Zum Glück bloß wenige Kilometer. Ich war ja nur mit Karten ausgestattet, kein GPS oder ähnliches.

In den ersten beiden Tagen schaffte ich nur 49 km, da ich leider nicht richtig fit war und nicht gerne im Regen fahren wollte. Am 2. Tag regnete es ziemlich heftig und ich durfte einige Stunden bei jemandem verbringen.

Nur zwei Tage später waren es knapp über 20 Grad, wechselhafte und windige 20 Grad. Immer wieder kamen auch Regenschauer. So wechselhaft ging es die nächsten Tage weiter.

Zu den ersten Eindrücken zählte u. a. auch, dass es dort mehr Armut gibt. Dabei ist Estland das reichste der drei Baltikum-Länder. Da, wo Armut herrscht, wird schon mal ein Gläschen Wodka mehr getrunken. Ich konnte mir nicht entgehen lassen, zum Anstoßen mal ein Gläschen zu trinken, es diente ja schließlich dazu, die Menschen kennen zu lernen.

1 - Durch Estland reisen

2 - Estland Urlaub

Als ich in einem Garten schlafen durfte, wurde mir eine Dusche angeboten. Diese befand sich in einer Sauna. In Estland sind Saunas sehr beliebt. Viele Familien besitzen neben ihrem gelben Holzhäuschen auch eine eigene Sauna. Geheizt wird mit Holz, davon haben die Esten viel. Die Sauna und die Dusche waren in einem Raum.
Als ich aus dem Häuschen raus ging, wusste ich leider nicht, ob ich nass vom Wasser oder Schweiß war.

Die Fahrt auf einem Tretroller ist viel härter als auf einem Fahrrad. Man rollt nicht nur langsamer (12 – 15 km/h), jeder kleine Hügel ist direkt bemerkbar. Oft musste ich also schieben, wo ein Fahrradfahrer hätte fahren können. Dabei wurde ich immer wieder von Bremsen attackiert und durfte im Spurt auf den Roller springen. Nur wenn man gerade auffährt, kommt man nicht gerade weit und muss wieder schieben, wobei man wieder von Bremsen begrüßt wird.

4 - Camping in Estland 2

5 - Mit Tretroller für Erwachsene durch Estland reisen

7 - Baltikum-Reise - Estland
Von einem Bürgersteig runter zu fahren, ist auch nicht immer möglich. Das Trittbrett ist ca. 10 cm hoch, man hackt also an der Kante an. Nach einer gewissen Zeit hat man zwar ein Auge dafür, dennoch nervt es manchmal.
Aber unvergesslich sind dabei die Menschen. Viele kommen wegen des Rollers auf einen zu, man lernt sie kennen und das motiviert einen sehr. In der ersten Zeit in Estland fuhr ich ca. 50 km pro Tag.
Ich übernachtete im Garten bei Leuten oder aber auch in Wäldern. In Wäldern ist aber Vorsicht geboten, da es in allen Baltikum-Ländern viele Zecken gibt. Eine Impfung ist von daher zu empfehlen. Aber gegen Insekten kämpft man sowieso immer, wenn man in der Natur übernachtet. Es gibt viele Bremsen und Mücken, die einem direkt näher kommen wollen sobald man stehenbleibt.

3 - Camping in Estland

6 - Straßenschild Elch

8 - Am Weg nach Tartu

9 - Reise nach Tartu

Die nächstgrößere Stadt nach Tallinn war für mich Tartu, wo ich am fünften Tag ankam. Zwei Tage verbrachte ich dort in einem Hostel – für 12 EUR die Nacht. Also in einem Bett geschlafen.
Hostels haben den Vorteil, dass sich dort viele verschiedene Reisende befinden. Ob das jetzt Radfahrer, Wanderer, YouTuber, Blogger, Arbeiter, Geschäftsmenschen oder einfach Touristen, die sich kurz mal die Stadt anschauen wollten, sind, man trifft dort Menschen aus jeder Kategorie. Man wohnt wahlweise sogar in 8-Bett-Zimmern.

10 - Tartu Hostel

11 - Hostel Tartu

Tartu ist mit knapp 100.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Estland und aufgrund ihrer Universität bekannt. Die Altstadt ist natürlich einen Besuch wert und das Zentrum des Tourismus. Es befindet sich zudem noch eine Burgruine am Zentrum. 2-3 Tage müssten für einen Besuch allerdings ausreichen, um sich einiges anzuschauen.
In Tartu findet man natürlich auch viele Restaurants, wo man auch einheimisch essen gehen kann. Am besten fragt man immer Einheimische, wo sie am liebsten essen gehen. Das Essen in Estland ist schlicht: Kartoffeln, Schweinefleisch, Sauerkraut. Das bekannteste Nationalgericht ist die Veriwurst (Blutwurst) mit Sauerkraut. Auch russische Suppen wie Soljanka oder Borschtsch sind dort zu finden.

12 - Domkirche Tartu

13 - Universität Tartu

14 - Rathaus Tartu

Trotz der Gäste im Hostel holt einen irgendwann die Einsamkeit ein. Ich musste also immer wieder Kontakt zu Freunden und Familie aufnehmen. Es ist zwar schön, Leute um sich zu haben, aber die eigenen Leute fehlen einem doch schon. Zudem sind die Straßen in Estland ebenfalls recht einsam, was die Sache nicht vereinfacht.

In Tartu erlebte ich auch zum ersten Mal Dunkelheit während dieser Reise.

Von Tartu bis Võru verläuft eine sehr schöne, historische Straße. Man kann Parks und viele Häuser aus den 1930ern besichtigen.

15 - Von Tartu nach Võru

16 - Von Tartu nach Võru 2

17 - Von Tartu nach Võru 3

18 - Von Tartu nach Võru 4

19 - Von Tartu nach Võru 5

20 - Von Tartu nach Võru 6

In Võru schlief ich ebenfalls im Bett, allerdings über CouchSurfing. Von meinem Gastgeber erfuhr ich noch einiges über Estland und eine wunderschöne Route Richtung Lettland. Das ist ein sehr großer Vorteil von CouchSurfing: Man lebt bei Einheimischen, kriegt Tipps und ein Bett.
Die letzte Etappe in Estland sollte auch gleichzeitig die schönste werden. Die Route ging über Rõuge, Haanja und Ruusmäe, insgesamt 47 km.

Wie schon erwähnt, Steigungen auf dem Tretroller sind sehr anstrengend, meistens muss man schieben. Von diesen Steigungen gibt es leider ab dem letzten Abschnitt sehr viele. Es sind zwar sehr kleine Hügel, aber schieben durfte ich dennoch immer wieder. Beim Schieben wurde man immer wieder von Bremsen besucht. Somit musste ich oft anfangen zu laufen.
Der letzte Abschnitt war also nicht nur der schönste, sondern auch der härteste bis jetzt.
Man fährt durch recht leere Straßen mit vielen Wäldern und Seen, ein wunderschöner Anblick ist das. Unterwegs kann man den Park (Ööbikuorg) besichtigen, der von historischem Essen über selbstgemachte Kleidung bis zu alter Architektur einiges bietet. Die Häuschen werden dort sogar auf traditionelle Art und Weise mit purer Handarbeit gebaut. Ein Besuch ist überdies kostenlos.
Weiter ging es nach Haanja, wo der höchste Berg der Baltikum-Länder zu finden ist.
Am Fuße des Berges wurde ich von einigen Touristen fotografiert und ausgefragt. Ein komisches Gefühl, wenn so viele Leute um einen herum stehen und Fragen stellen.
Der Berg – Suur Munamägi – erhebt sich 317,6 m über den Meeresspiegel, samt dem Aussichtsturm sind es 346,7 m. Von hier aus hat man eine Aussicht auf die Landschaft im Radius von 50 km. Im Turm befindet sich eine Ausstellung.

21 - Rõuge - Haanja - Ruusmäe

22 - Rõuge - Haanja - Ruusmäe 2

23 - Rõuge - Haanja - Ruusmäe 3

24 - Rõuge - Haanja - Ruusmäe 4

25 - Rõuge - Haanja - Ruusmäe 5

26 - Rõuge - Haanja - Ruusmäe 6

27 - Rõuge - Haanja - Ruusmäe 7

28 - Rõuge - Haanja - Ruusmäe 8

Kurz vor der Grenze kommt dann Ruusmäe, wo gerade im historischen Gut Rogosi der Tag der Polen stattfand.

29 - Gut Rogosi in Ruusmäe

30 - Tag der Polen im Gut Rogosi

31 - Tag der Polen im Gut Rogosi - Ruusmäe

Als ich dann über einsame Waldwege orientierungslos und mit Hilfe von Einheimischen mit dem Tretroller fuhr und dann endlich das Grenzschild sah, war die Freude natürlich sehr groß. Ich habe eine Strecke von ca. 322 km zurückgelegt und Estland sehr intensiv kennenlernen dürfen. Erreiche ich so eine Etappe, ist das immer wieder ein tolles Glücksgefühl.

32 - Reisen nach Lettland von Estland

33 - Grenze zu Lettland

Teil 2/3 – Reisen nach Lettland

Der Tag war aber noch nicht zu Ende, nun würde Lettland kommen und einen Schlafplatz hatte ich noch nicht.
Ich fuhr noch 24 weitere Kilometer an dem Tag, um auf einem Zeltplatz zur Ruhe zu kommen. Der Zeltplatz lag direkt am See und ich konnte die ersten tollen lettischen Eindrücke gewinnen.

37 - Campingplätze Baltikum - Lettland

38 - Baltikum Camping - Lettland

Der erste Eindruck war, dass das Land noch ärmer als Estland ist. Ich fuhr häufig über Schotterwege. Dabei rutscht man mit dem Trittbein immer wieder ein bisschen weg, sodass es anstrengender ist. Zudem gibt es viele Löcher, Schotterhaufen und größere Steine auf diesen Wegen. Mit recht günstigen Taschen, die sich immer wieder aushakten und einem defekten hinteren Schutzblech, das mir immer wieder am Reifen rieb, wurde die Fahrt natürlich nicht einfacher. Die Bremsen, die mich immer wieder anflogen und mich regelrecht aussaugen wollten, waren auch keine tolle Unterstützung.

34 - Reisen nach Lettland

35 - Reisen nach Lettland 2

36 - Reisen nach Lettland 3

Trotz dieser negativen Bedingungen erlebte ich auch hier unglaublich nette Menschen und ein wunderschönes Land.
In Lettland leben ca. 2 Millionen Einwohner. Davon leben alleine in der Hauptstadt Riga ca. 700.000 und ca. 95.000 in Daugavpils. Es sprechen ca. 37 % Russisch und 58 % Lettisch, was für mich mal wieder die Sache mit der russischen Sprache ein wenig vereinfachte. In den Dörfern trifft man nämlich auch nicht oft Menschen, die Englisch beherrschen. Somit kann ich mich nur auf Polnisch mit denen verständigen.
Allerdings ist das zu wenig, um zum Beispiel jemanden zu fragen, ob man im Garten für eine Nacht zelten dürfte. Ich schrieb mir zu Hause auf einem Stück Papier ein paar wenige Wörter und die Frage nach der Übernachtung im Zelt. Zwar stichwortartig, aber dennoch ausreichend, sodass es bisher jeder verstanden hat.

Die ersten beiden Tage waren sehr positiv. Sehr schöne Wälder sind dort zu sehen. Es gibt ca. 700 Naturgebiete und 4 Nationalparks in Lettland, zudem sehr viele Seen.
Ich hielt mich weiterhin die ganze Zeit östlich, wo ich über Rēzekne weiter in Richtung eines Sees fuhr. Dort suchte ich mir den nächsten Zeltplatz.
Ich schlief meistens zwischen 7 und 9 Stunden, frühstückte Brot mit verschiedenen Belegen, aß zu Mittag hin und wieder in Restaurants, manchmal aber auch was Fertiges und Kaltes aus einem Einmachglas. Manchmal muss man das nehmen, was man hat bzw. kriegt. Abends meistens das Selbe wie morgens.

39 - Lettland Reise

40 - Lettland Reise 2

41 - Campingverpflegung Lettland

42 - Lettland Reise 3

Die Preise sind dort ähnlich bis ein wenig preiswerter als in Deutschland. Dies hängt natürlich davon ab, was man kaufen möchte. Wenn man sich nur das Nötigste holt, kann man für ein paar wenige Euro am Tag ganz gut über die Runden kommen. In den meisten Dörfern gibt es auch einen kleinen Laden, wo Lebensmittel gekauft werden können. Dabei unterscheiden sich alle 3 Länder kaum.
Manchmal habe ich auch Glück gehabt und wurde zum Abendbrot oder auch zum Frühstück eingeladen, was immer wieder eine tolle Geste war.

Oft fuhr ich leider weiterhin über löchrige Schotterwege, dafür durch schöne Wälder. Solche Routen habe ich mir selber ausgesucht, da ich keine Hauptstraßen nehmen wollte. Die Anblicke der Seen und Wälder motivierten einen immer wieder aufs Neue.

43 - Durchs Baltikum reisen

44 - Durchs Baltikum reisen 2

45 - Durchs Baltikum reisen 3

46 - Durchs Baltikum reisen 4

47 - Durchs Baltikum reisen 5

48 - Durchs Baltikum reisen 6

In der Pilgerstadt Aglona, wo mit der Wallfahrtsbasilika Mariä Himmelfahrt – oder Basilika von Aglona – eines der 8 internationalen, katholischen Heiligtümer steht, übernachtete ich wieder auf einem Campingplatz. Die Campingplätze kosten hier ca. 3-4 EUR für ein Zelt pro Nacht. Dabei hat man meistens auch eine Dusche und Wi-Fi ist dort fast überall zu finden.
In der Stadt sind sehr viele kleine Museen zu finden – ein nettes, kleines Örtchen.

49 - Aglona - Baltikum Rundreise

50 - Rundreise Baltikum - Aglona

Das Wetter war nicht gerade toll, da es immer wieder regnete und das Zelt von außen leider recht schmutzig war. Die hohe Feuchtigkeit erleichtert einem das Leben auch nicht. Wäsche waschen war schwierig, da die Kleidung kaum trocknen konnte.
Beim Verlassen des Ortes traf ich noch einen Wanderer, der stark an Jesus glaubt. Dieser betete für mich, dass alles gut sein wird.

Weiter ging es in die mit ca. 100.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Lettlands, nach Daugavpils. Hier leben ca. 50 % Russen, nur 19 % Letten und 14 % Polen. Ich blieb hier für 2 Tage in einem Hostel.
Das Zentrum, einer der Touristenpunkte, ist recht schön. 1-2 Tage sollten aber ausreichen, um sich einiges anzuschauen. Möchte man noch Museen besichtigen, sollte natürlich mehr Zeit eingeplant werden.
Von der Innenstadt zwei Kilometer entfernt steht dort eine Zitadelle, die Anfang 1800 gebaut worden ist. Sie ist nahezu vollständig erhalten. Der Eintritt ist kostenlos.
Was aber so schön historisch aussieht, wurde auch zum Teil zerstört: Im Inneren stehen tatsächlich Plattenbauten und noch von der sowjetischen Armee einige Gebäude, die das ganze Bild natürlich nicht gerade positiv aussehen lassen. Dennoch ist es einen Besuch wert, da man dort vieles über die Geschichte erfahren kann.

51 - Daugavpils

53 - Daugavpils - Urlaub in Lettland Erfahrungen

56 - Urlaub in Lettland Erfahrungen

Von Daugavpils waren es nur noch ca. 24 km bis nach Litauen. Ich wählte wieder verlassene Wege. Die Grenze wollte ich ebenfalls wieder auf einsamen Wegen überqueren.
Während der gesamten Fahrt sieht man sehr viele Störche. Ein unglaublich toller Anblick dieser großen Tiere.

55 - Störche von Lettland nach Litauen

An der Grenze angelangt kam die Freude natürlich wieder hoch, ich habe es erneut geschafft! Es war eine Strecke von ca. 330 km mit einer wunderschönen Landschaft und abermals unheimlich netten Menschen. Dennoch merkt man immer wieder, dass es für manche recht hart ist. Ob es vor dem Euro besser oder schlechter war, kann ich persönlich nicht beurteilen. Ein Frau meinte zu mir, es war früher ein bisschen besser. Allerdings kam die Antwort nicht direkt.

57 - Von Lettland - Reise nach Litauen

Teil 3/3 – Reise nach Litauen

Nun kam das letzte der drei Baltikum-Länder dran. Litauen hat 2,9 Millionen Einwohner, wovon ca. 550.000 in Vilnius und ca. 360.000 in Kaunas leben. Es ist das größte Land der drei Baltikum-Staaten, was die Bevölkerung angeht. Die Einwohnerzahl fiel sogar um 1992 herum, da viele aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen haben.

Nach den letzten 24 km in Lettland kamen 55 km in Litauen hinzu. Die kleinen Hügel machten mir immer wieder zu schaffen. Man benötigt sehr viel Kraft, um den Roller mit all dem Gepäck nach oben zu treten. Schieben war also angesagt. Manchmal auch laufen, damit die Bremsen einen nicht erwischen. Was das Gepäck angeht, war ich schon recht sparsam. Ich hatte ca. 16 kg mit dabei. Für 3 Wochen völlig ausreichend. Dazu kommen aber noch ca. 2 -3 Liter Wasser und etwas zu essen.
Ich fuhr nur 2,5 km von der weißrussischen Grenze entlang. Hätte man kein Visum benötigt, wäre ich auch dort kurz vorbeigefahren.

58 - Litauen nahe Weißrussland

Es ging weiter über hügelige Schotterwege und ebenso hügelige Straßen, wobei der Verkehr sich auch hier in Grenzen hielt.

59 - Litauen Urlaub

60 - Litauen Urlaub 2

61 - Litauen Urlaub 3

62 - Litauen Urlaub 4

63 - Litauen Urlaub 5

Auf direktem Wege war Vilnius, das Ziel, ca. 160 km entfernt, also ungefähr 2-3 Tage Fahrt. Allerdings war es nicht mein Hauptziel, so schnell wie möglich dort anzukommen, sondern auch was zu sehen und zu erleben.
Meine erste Übernachtung war auf einem kostenlosen Campingplatz. Diese sind hier häufiger zu finden. Ein direkter Zugang zum See ist natürlich selbstverständlich, dazu noch Feuerstellen und Plumpsklos. Im See konnte man sich und die Kleidung waschen und am Feuer etwas Warmes essen, mehr braucht man doch nicht.

64 - See beim Litauen Urlaub

Weiter ging es mit einem täglichen Kilometerdurchschnitt von ca. 60 km. Zu viele Kilometer wollte ich auch nicht machen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei etwa 15 km/h.
Mein persönlicher Eindruck war, dass es in Litauen noch mehr Seen gab, als in den beiden anderen Ländern. Eine wirklich tolle Route war das, viel Wald und Seen. Verschiedene Beeren konnte man ebenfalls immer wieder in den Wäldern pflücken gehen. Kostenlose Camping-Plätze, wo hin und wieder Familien ihren Abend verbringen, sind ebenfalls eine tolle Bereicherung.
In allen 3 Baltikum-Ländern herrscht das Jedermannsrecht, wo man sich in der Natur überall frei bewegen kann. Es ist auch erlaubt, sein Zelt überall aufzuschlagen. Verboten ist halt das Betreten von privaten Grundstücken. Allerdings sollte man darauf achten, nicht einfach alles zu betreten, wozu man Lust hat. Man sollte die Umgebung auch schonend behandeln, das heißt den Müll mitzunehmen, Feuer nur an geeigneten Plätzen zu machen und nicht unnötig Schäden an der Natur zu verursachen.

65 - Urlaub in Litauen

66 - Urlaub in Litauen 2

67 - Urlaub in Litauen 3

68 - Urlaub in Litauen 4

Es ging Richtung Labanoro Bokštas, wo ich diesmal auf einem kostenpflichtigen Camping-Platz übernachtet habe. Die Preise für Camping-Plätze sind hier teurer als in Lettland. Zwischen 8 und 12 EUR sollte ich hier für eine Nacht bezahlen. Ich konnte den Preis allerdings richtig gut drücken.
Hier traf ich auch Klaus Hausmann, einen Radfahrer aus Deutschland. Er fuhr mit dem Fahrrad vom Nordkap bis nach Griechenland. Ein kleiner Erfahrungsaustausch hilft sehr weiter.

Am nächsten Tag waren es nur noch ca. 40 km bis Vilnius. Ich musste einen Umweg machen, um nicht zu früh anzukommen.
Unterwegs befindet sich auch das geografische Zentrum Europas, mitten auf einem Golfplatz. Dennoch ist dieser Bereich abgeschottet und für einen kurzen Stopp zu empfehlen.

69 - Urlaub in Litauen - nahe Vilnius

70 - Urlaub in Litauen - nahe Vilnius 2

71 - Baltikum Camping bei Vilnius

In der Umgebung von Vilnius fragte ich immer wieder, ob ich im Garten übernachten könnte, leider wollten das die Leute nicht. Mir fiel auf, dass viele Polnisch sprechen. Das liegt daran, dass Vilnius bis zum 2. Weltkrieg zu Polen gehört hat. Das Polnisch, was dort gesprochen wird, ist ein wenig anders, verständigen kann man sich dennoch.
Ich fand am Ende in einem kleinen Waldstück ein schönes Plätzchen. Bei der Auswertung der Daten zu Hause fiel mir auch auf, dass ich meinen persönlichen Rekord aufgestellt hatte: 88 km auf dem Tretroller an einem Tag. Meine Höchstgeschwindigkeit lag bei 49 km/h, allerdings bergab.

72 - Fahrt nach Vilnius

73 - Fahrt nach Vilnius 2

74 - Fahrt nach Vilnius 3

Wehmütig schloss ich irgendwann die Augen mit dem Wissen, dass morgen das Ziel erreicht sein wird.
Wenn man alleine im Wald im Zelt liegt, nimmt man automatisch alle Geräusche von jedem Blatt, jeder Fliege und jedem Nagetier wahr. Man gewöhnt sich nach einiger Zeit daran. Aber dennoch ist es am Anfang ein komisches Gefühl, wenn man nicht weiß, was da draußen am Zelt passiert.

Der letzte Teil meiner Fahrt sollte nun anbrechen – die letzten 36 km bis zu einem Hostel in Vilnius. Drei Tage würde ich dort bleiben. Zwei davon in einem Hostel und am letzten Tag bei einem Warmshowers-Gastgeber.
Die Einfahrt in die Stadt war am Anfang ziemlich verwirrend, es waren überall Ampeln und viel Verkehr. Wenn man länger recht einsam unterwegs war, ist dies doch am Anfang ein wenig zu viel.

75 - Vilnius - Reise ins Baltikum

76 - Vilnius - Reise ins Baltikum 2

77 - Vilnius - Reise ins Baltikum 3

Vilnius bietet wegen ihrer geschichtlichen Vergangenheit sehr viele Sehenswürdigkeiten an. Die Altstadt ist natürlich der Höhepunkt. Es stehen sehr viele Kirchen aus verschiedenen Religionen nebeneinander, Theater, Präsidentenpalast, zahlreiche Museen, Lokale und viele weitere schöne Punkte. Allerdings findet man einige eher als Einheimischer, da nicht immer alles im Reiseführer beschrieben wird. Deshalb war ich froh, dass mein Warmshowers-Gastgeber mir noch einiges zeigen konnte.

78 - Vilnius - Reise ins Baltikum 4

79 - Vilnius - Reise ins Baltikum 5

80 - Vilnius - Reise ins Baltikum 6

81 - Vilnius - Reise ins Baltikum 7

Am 21. Tag flog ich dann nach Hause. Es hat einige Tage gedauert, bis ich begriffen habe, dass ich wirklich zu Hause bin.
Dennoch muss ich mir keine Sorgen machen, dass dieses Erlebnis jemals verbleichen wird. Noch heute, 6 Monate danach, weiß ich bis ins kleinste Detail noch alles.
Obwohl das nur ein kleiner Ausflug war, habe ich viel für mich persönlich gelernt und eine neue Herausforderung erfolgreich gemeistert.

Insgesamt fuhr ich ca. 950 km auf dem Tretroller. 21 Tage war ich vor Ort und blieb an 3 Orten länger als 1 Tag. Pro Tag gab ich 6-8 EUR für das Essen aus. Probleme gab es mit den Taschen vorne, Schutzblech hinten und dem Tacho. Viele Bremsen, Mücken und auch Zecken sind zwar störend, aber auszuhalten. In Finnland zum Beispiel ist es ebenfalls sehr extrem, was die Mücken angeht.

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