Trete in die Fußstapfen von Jakobsweg-Pilger Herrn Lentz und folge ihm im dritten Teil des Pilgerberichts dem weiteren Wegverlauf von Rioja über Logroño bis nach Burgos.
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Als ich am nächsten Morgen erwache, sind meine Mitwanderer vom Vortag alle schon auf, ihre lauten Stimmen dringen bis in den Schlafraum. Als ich nach unten zum Frühstück komme, ist niemand mehr da… das ist etwas enttäuschend für mich. So mache ich mich alleine fertig und dann auf den Weg. Nach wenigen Minuten begegnet mir Juan mit seinem Hund, er ist der einzige Mitpilger, den ich immer wieder treffen werde bis nach Santiago. Aber dann bemerke ich, dass mir doch etwas wichtiges fehlt: ich habe meine Trekkingstöcke in der Herberge vergessen. Glücklicherweise bin ich noch nicht weit gelaufen und eile zurück. Die Herberge ist noch offen und ich mache mich zum zweiten mal auf den Weg. Außerhalb von Logroño treffe ich wieder auf Juan und zu zweit wandern wir auf dem Camino durch einen wunderschönen Landschaftspark, in dem die Eichhörnchen keinerlei Scheu zeigen…
Ein Stückchen weiter komme ich an dem Pilgerstopp von Marcelino vorbei. Er ist wohl ein „Berufspilger“, und hat in seinem kleinen Blockhäuschen vielerlei Bilder, Zeitungsausschnitte und Trophäen, die man besichtigen kann. Einen Stempel in den Pilgerpass gibt es auch für mich…aber dann muss ich weiter.
Am Stadtrand von Navarrete treffe ich verschiedene Pilger mit ihren Geschichten wieder:
- eine Frau, die aus Stuttgart losgewandert ist,
- Andrea, die mir ein Muschelabzeichen an meinen Rucksack nähen will und
- zwei Katalanen, die sich für ein unabhängiges Katalonien einsetzen
Gegen Mittag biege ich vom CAMINO ab nach Ventosa und erreiche die Herberge „San Saturnino“. Eine freundliche Dame empfängt uns und zur Begrüßung tönt dezent aus dem Hintergrundlautsprecher Opernmusik von G. Puccini: „Nessun Dorma“ aus „Turandot“. Diese Herberge erweist sich als ein schöner Ort mit einem liebevoll gestalteten Innenhof, in dem sich die Pilger in verschiedenen Grüppchen zusammenfinden und miteinander plaudernd den Nachmittag verbringen.
→ Tipp: Herberge „San Saturnino“, Ventosa
Charly und Takoma treffe ich hier. Sie waren deutlich schneller beim Wandern als ich. Aber Charly hat seine Füße voller Blasen und deshalb treffen wir hier wieder aufeinander. Am Spätnachmittag beginnen sich einzelne Grüppchen spontan zusammen zu tun, um miteinander zu kochen. Da muss man schon schnell aufpassen, um nicht als Einzelwanderer alleine übrig zu bleiben. Welch‘ Glück, dass ich hier wieder auf Jürgen treffe, dem ich mit seinem Freund kurz hinter Roncesvalles schon begegnet war. Wir bleiben übrig und beschließen beim Kochen gemeinsame Sache zu machen. Im kleinen Lädchen im selben Hause kaufen wir Nudeln und einiges Gemüse ein. Unter den kritischen Blicken einer französischen Familie brutzeln wir uns eine Nudel-Gemüsepfanne zurecht und freuen uns über unseren Kocherfolg. Charly und Takoma, die Sunnyboys des Tages, kochen sich auch sehr routiniert ihr Menu ─ und zu aller Erstaunen, nach einer kurzen Luftpause, gleich noch ein zweites Menü hinterher und verzehren zum Schluss noch die Reste einer anderen Kochgruppe. Unglaublich! Später am Abend treffe ich die Herbergswirtin in der Küche, wie sie wieder alle Dinge an ihren Platz räumt. Sie sieht aus wie eine energische englische Lady.
Am nächsten Morgen werden wir früh mit gregorianischer Musik geweckt. Weil ich nichts fürs Frühstück eingekauft hatte, bleibt mir nur ein Rest Weißbrot und eine Banane. Beim Abschied ist auch die Herbergswirtin zugegen. Irgendwie kommen wir nochmal kurz ins Gespräch und sie berichtet, was für eine aufreibende Tätigkeit sie hat. „Nein“, sagt sie, als wir danach fragen „ihr seid eine gute Gruppe gestern gewesen.“ Sie erzählt uns, was ihr da so alles widerfährt als Herbergswirtin:
- von den Pilgern, die abends nicht ins Bett und morgens nicht aus dem Bett finden
- von verschmutzten Räumen, die sie in der kurzen Vormittagszeit, wieder reinigen muss
Und dann bricht es aus ihr heraus: „Manchmal, wenn ich einen Raum morgens betrete, da muss ich mir erst einmal einen starken Kaffee machen.“ Und die Frauen, die sind oft die Allerschlimmsten, erzählt sie. Wir schweigen betroffen… Der Abschied ist herzlich, wir haben uns dort wirklich wohlgefühlt.
Es ist noch nicht ganz hell und ich muss aufpassen, dass ich an den Wegkreuzungen nicht etwa einen Pfeil übersehe, denn hier in der Rioja sind sie z.T. doch schon recht verblichen. Nach kurzer Zeit treffe ich Charly und Takoma wieder und für die nächsten 10 km wandern wir zusammen. Aber dann meldet sich mein leerer Magen und ich mache am Stadtrand von Nájera bei einer Bar Rast, um erst einmal gründlich zu frühstücken. Dort treffe ich dann die beiden Katalanen wieder und natürlich Juan mit seinem Hund. In der Stadt verliere ich einige Male die Richtung, aber immer wieder rechtzeitig taucht ein Bewohner auf, um mir gestikulierend den richtigen Weg zu zeigen.
Außerhalb der Stadt treffe ich auf Marion, eine ehemalige Angestellte einer KKW Service-Firma. Zwanzig Jahre ist sie dort gewesen um als alleinerziehende Mutter ihre Tochter zu unterstützen. Jetzt, nach Abschluss von deren Studium, hat sie das Arbeitsverhältnis beendet, weil sie das nicht mehr länger mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Sie hat alles in Deutschland beendet und ist auf der Suche nach einem neuen Lebensziel. Der CAMINO ist voll mit solchen Geschichten…
Unterwegs treffe ich auch Andrea wieder, die mir doch immer noch ein Abzeichen auf den Rucksack nähen wollte, damit ich auch als Pilger zu erkennen bin. Sie hatte sich am morgen im Dunkeln fürchterlich verlaufen und bittet mich darum, sie jetzt zu begleiten. Als echter Caballero kann ich da natürlich nicht ablehnen…
Der Wegverlauf ist jetzt recht gleichförmig hügelauf, hügelab.
Der letzte Anstieg Richtung Cirueña zieht sich über 900 m hin und wir sind entsprechend erschöpft, als wir auf der Höhe einen Rastplatz finden mit Liegen aus … Beton!
Am Ortseingang finden wir wieder ein Pilgerdenkmal und einen sehr exquisiten Golfplatz. Die nahegelegene ausgedehnte Neubausiedlung mit vielen Reihenhäusern erweist sich als Geisterstadt, flächenmäßig sicher dreimal so groß wie das eigentliche Ursprungsdorf Cirueña.
Andrea zieht es in eine andere Herberge, während ich mir die Albergue „Virgin de Guadelupe“ ausgesucht hatte. Das Haus ist einfach ausgestattet, hat einen Hospitalero, der rau aber herzlich ist: „Erst duschen! Dann einchecken!“ Zum Abendbrot gibt es – wie im Reiseführer angekündigt (seit wie vielen Jahren schon?) – einen Linseneintopf. Naja… das ist nun so gar nicht meine Lieblingsspeise, aber ich mache gute Miene zum netten Spiel und der Hunger treibt es rein. Jürgen und sein Freund aus dem Saarland sind hier auch eingekehrt. Jürgen hat wegen Schmerzen am Schienbein ungefähr mein Wandertempo und so bleiben wir die nächsten Tage auch zusammen. Es hat merklich abgekühlt, immer wieder ziehen dunkle Wolken auf und ich beginne mich zu fragen, ob das wirklich eine so gute Idee war, meinen soliden Poncho nach Santiago vorauszuschicken. Für alle Notfälle habe ich mir noch einen billigen Leichtponcho für drei Euro gekauft, aber viel Regen wird der wohl nicht abhalten können.Am Nachmittag erreichen wir die die Herberge von Orietta und Acacio in Veloria. Meditative leise Musik und Räucherstäbchen empfangen uns. Die meisten Pilger ruhen sich aus, draußen weht ein kalter Wind. Wie soll da meine Wäsche trocknen? Glücklicherweise wird der Ofen beheizt. Gegen Spätnachmittag beginnt die Frau des Hospitaleros in der Küche zu brutzeln, es ziehen gute Düfte durch die Herberge. Die Herberge hat einen festen Übernachtungspreis, aber das Abendessen ist auf Spendenbasis, das bedeutet, dass wir das Abendessen für die Pilger am nächsten Abend mit unserem Geldbeitrag ermöglichen.
Wir sitzen am Tisch gemeinsam mit den anderen Pilgern und es wird aufgetragen. Jürgen amüsiert sich über meinen Gesichtsausdruck, der lang und länger wird… es gibt wieder… Linseneintopf!! Aber diesmal erlebe ich eine Überraschung: der Linseneintopf von Orietta schmeckt einfach fantastisch, lecker gewürzt, nicht so langweilig wie in Deutschland. Anschließend sitzen wir noch in gemütlicher Runde zusammen und erzählen uns gegenseitig von unseren Erlebnissen und Erfahrungen auf dem CAMINO. Eine besondere Stimmung herrscht in dieser Herberge, die noch lange nachklingt.
In den nächsten zwei Tagen müssen wir noch zweimal höhere Bergketten überqueren: die „Montes de Oca“ (Gänseberge) mit wunderschönen Heideflächen und Eichenwäldern sowie der Klosterkirche von „San Juan de Ortega“. Am zweiten Tag starten wir in der ersten Morgensonne die Überquerung der „Sierra de Atapuerca“ und finden uns unversehens im dichten Nebel wieder.
Es geht noch einmal bis auf 1081 m hoch, bevor wir dann endlich nach Burgos absteigen können.
Neben den immer wieder wunderschönen Blicken in die Landschaft, kann man sich an vielen Stellen an der besonderen „Pilger-Land-Art“, bzw. den Wandmalereien erfreuen.
Der Abstieg nach Burgos zieht sich lang hin. Die im Reiseführer beschriebene alternative Wegführung, um die hässlichen Industrievororte von Burgos zu umgehen,… sie ist längst kein Geheimtipp mehr, denn alle vor und hinter uns verwenden diese Route. Schließlich überqueren wir einen Fluss und werden dann an dessen Ufer bis an die Innenstadt von Burgos heran geleitet.In Burgos stellt sich nun wieder die Frage nach der Herberge… soviel Auswahl gibt es dort nicht. Trotz der etwas kritischen Beurteilung im Reiseführer, entscheiden Jürgen und ich uns, es mit der „Casa Emmaus“ zu versuchen. Es erweist sich als gar nicht einfach das Gebäude der Herberge zu finden. Es sieht so gar nicht danach aus… Der schmale Eingang liegt versteckt an der Seite. Wir klingeln, die Tür öffnet sich nach draußen und eine Dame (offensichtlich Französin) begrüßt uns und erklärt uns die Regeln der „Casa Emmaus“: um 19:30 Uhr Messe mit Pilgersegen, um 20:00 Uhr gemeinsames Abendessen mit anschließendem Beisammensein. Die Herberge wird zu dieser Zeit auch geschlossen. Wenn wir mit diesen Regeln uns einverstanden erklären können, dann seien wir herzlich willkommen. Jürgen und ich schauen uns kurz an, überlegen und stimmen zu. So dürfen wir eintreten und werden von großzügig eingerichteten Räumen empfangen, in denen wir uns während unseres Aufenthaltes sehr wohlfühlen.
→ Tipp: „Casa Emmaus“, wenn man sich auf die besonderen Gepflogenheiten dieser Herberge einlassen kann, kann man sich dort gut erholen.
Burgos
Nach dem üblichen Reinigungsritual, wandern wir gegen Nachmittag von der Herberge aus Richtung Innenstadt. Unser erstes Ziel ist die eindrucksvolle Kathedrale, deren Türme schon von weither grüßen. Die Altstadt betreten wir durch das mächtige Stadttor und widmen uns erst einmal für mehrere Stunden einer ausführlichen Führung durch den ausgedehnten Kirchenkomplex per Audioguide. Wie groß ist meine Überraschung, als ich in einer Seitenkapelle vor einer Altarfigur des heiligen JOACHIM stehe… Anschließend spazieren wir noch ein wenig durch die Altstadt und kehren dann pünktlich gegen 19h in unsere Herberge zurück. In dem großen Gebäude verbirgt sich in der unteren Etage eine große moderne Kirche, die zur Messe um 19.30 etwa halb gefüllt ist. Ganz zum Ende werden wir Pilger nach vorne bugsiert und empfangen durch den Priester einen Pilgersegen, – das ist schon ein besonderes Erlebnis.
Anschließend gibt es ein schmackhaftes warmes Abendessen in kleiner Runde mit etwa 10 Pilgern und dem Hospitalero-Ehepaar aus Frankreich. Zum Abschluss sitzen wir noch in gemütlicher Runde und erzählen uns gegenseitig ein wenig vom Woher und Wohin auf dem CAMINO. Gegen 22:00 Uhr werden wir alle zu Bett geschickt. Als ich unseren Schlafraum betrete, erlebe ich eine kleine Überraschung: auf meinem Kopfkissen liegt ein kleiner Pilgeranhänger, ein Abschiedsgeschenk von Jürgen, der morgen nach Deutschland zurückkehren muss. Ich freue mich riesig und habe diesen Anhänger immer bei mir… ob er mir wohl Glück gebracht hat… ?
Am nächsten Morgen werden wir zeitig um 7:00 Uhr geweckt, weil wir bis 8:00 Uhr aus der Herberge draußen sein müssen. Gerne wäre ich noch eine zweite Nacht hier geblieben – nach 14 Tagen Wanderung finde ich, dass ich mir einen Ausruhtag verdient habe. Aber der Hospitalero kennt kein Erbarmen. Nur mit einem ärztlichen Attest dürfte ich noch eine weitere Nacht hier verbringen. Also packe ich seufzend meine Sachen und begleite Jürgen zum Busbahnhof, wo ich tagsüber mein Gepäck im Schließfach verwahren will. Den Terminal aber zu finden, ist nochmal eine echte Denksportaufgabe: die Ausschilderung hört an der letzten Kreuzung auf und obwohl es ein riesiger überdachter Gebäudekomplex ist, ist der Eingang unscheinbar versteckt und von außen nicht zu erkennen. Jürgen’s Bus, der ihn zur Grenze nach Irún bringen soll, hat erhebliche Verspätung und so verabschieden wir uns dann voneinander. Obwohl wir nur vier Tage miteinander gewandert sind, hatten wir doch eine gute Zeit miteinander, weil das gemeinsame Wandern angenehm und unaufwendig war. Danke Jürgen!
Mein erster Gang ist zu einem Handyladen. Mein Handy streikt irgendwie. Obwohl die Bedienung in dem Laden kein Englisch und ich kein Spanisch spreche, versteht der Fachmann, dass ich eine zusätzliche Speicherkarte für mein Handy benötige. Er stellt mir alle notwendigen Handgriffe dafür ein und versichert mir, dass ich nun für die nächsten 1.000 Fotos gut gerüstet bin.
Den Tag über bummele ich durch die Innenstadt von Burgos. Dabei entdecke ich in der Fußgängerzone eine echte Ritterrüstung vor einem Geschäft, in dem man sich mit zünftigen Schwertern fürs Turnier eindecken kann. Immer wieder erfreue ich mich an lebensgroßen Straßenskulpturen im öffentlichen Raum. Ein wunderbarer Ort, um sich auch in der Mittagshitze zu entspannen sind die Grünanlagen entlang des Rio Arlanzón, die sich entlang der Altstadt wie ein grünes Band ziehen.
Mittags begebe ich mich zu der großen städtischen Herberge und melde mich bei der Rezeption. Keiner dort beanstandet das, dass ich bereits eine Nacht in Burgos verbracht habe. Also hole ich mein Gepäck vom Busbahnhof und beziehe mein Bett. Aber die 150 Betten sind rasch ausgebucht. Abends treffe ich auf der Straße vor der Herberge noch einige Wanderer, die keinen Bettplatz mehr bekommen haben, unter anderem einen Sozialpädagogen aus Nordfrankreich, der selber mit schwierigen Jugendlichen einen Teil des CAMINO gewandert ist.
Wandere weiter → Meseta – Burgos bis León…