Mit Rucksack pilgern auf dem Jakobsweg, Teil VI: von Astorga nach Villafranca del Bierzo

Unser Jakobsweg-Pilger Herr Lentz stellt sich der nächsten Etappe: Astorga – Villafranca del Bierzo. „Denn nur dem, der den Mut hat, den Weg zu gehen, offenbart sich der Weg.“   (Zitat von Paulo Coelho in „Sei wie ein Fluss, der still die Nacht durchströmt“)

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Auch mein Rucksack muss noch einmal verbunden werden. Mein Pilgermuschelabzeichen erweist sich als nicht haltbar genug auf der Rückseite des Rucksacks. Also kaufe ich mir in Astorga eine etwas unförmige Rolle „Panzertape“ (spanisch: cinta americana) und rahme mein Pilgerzeichen damit ein. Und das hält dann auch bis „ans Ende der Welt“…Tourenrucksack Tour Bag 50 von Outdoorer

Zunächst führt der Pilgerweg aus Astorga heraus entlang der Straße, schön gestaltete Häuser erfreuen das Auge und eine kleine Eremitage lädt zum kurzen Verweilen ein. Astorga Die Landschaft der „Maragateria“ hinter Astorga gehört zu den ärmsten Gegenden in Spanien, weil der Boden hier karg und unfruchtbar ist. Im nächsten größeren Dorf teilt sich der Weg: laut Pilger-(Reise-)Führer führt eine Weg-Alternative über Castrillo de los Polvares, ein original wiederaufgebautes Dorf.

Tipp: Unbedingt Weg-Alternative über Castrillo de los Polvares wählen.

Zu meinem Erstaunen bin ich aber der Einzige, der hier abbiegt und diesen kleinen Umweg beschreitet. Nach wenigen Kilometern erreiche ich dieses Dorf, eine Art Museumsdorf mit wunderschönen alten Häusern, Kopfsteinpflaster, verwinkelten Gassen. Castrillo de los Polvares Castrillo de los Polvares Castrillo de los Polvares Castrillo de los Polvares

Aber – ich sehe niemanden auf der Straße, keine Menschenseele. Ich brauche zwanzig Minuten, bis ich etwas unterhalb der Dorfstraße ein kleines nettes Hotel entdecke, in dem ich einen Kaffee und ein Stück Kuchen bekomme. Die Hoteliers sind sehr gastfreundlich und mitteilsam und erzählen mir, dass der CAMINO ursprünglich hier entlangführte. Aber die Bezirksverwaltung von Astorga hat dann irgendwann entschieden, die Wegführung zu verändern. Offensichtlich wollten die Einwohner ihre Ruhe haben, denn die Pilger bringen zwar viel Betrieb, aber wenig Geld… Nach meiner Rast in dem netten Hotel stromere ich noch eine Weile im Dorf umher, schaue in einige Hinterhöfe und verlasse dann das Dorf. Und siehe da – am Dorfausgang stoße ich auch wieder auf den gelben Pfeil.Jakobsweg

Ich erreiche wieder den Hauptweg. In den nächsten Dörfern sehe ich viele trostlos verfallene Häuser, die nicht mehr gepflegt werden. JakobswegDafür ist in der nächsten Bar die Portion „ensalada mixta“ so gewaltig groß, dass ich mir die Hälfte in meine Plastikbox einpacke fürs Abendessen.ensalada mixta

Der Weg steigt jetzt allmählich an und in der Mittagshitze ist jeder Schritt im Schatten schon eine Erholung.

Am Nachmittag erreiche ich Rabanal. Rabanal Herberge El Pilar, WolfEigentlich wollte ich in die als ruhig angepriesene Gemeindeherberge gehen, aber dann lockt mich doch das fröhliche und bunte Ambiente der direkt daneben gelegenen Herberge „El Pilar“ (= „die Säule“). Am Eingang treffe ich auf den Besitzer und einen weiteren Hospitalero. „Ich bin der Wolf“, begrüßt er mich auf Deutsch. Nun – das sagt mir erst einmal gar nichts. Aber an den ehrfürchtigen Bemerkungen des Herbergsbesitzers entnehme ich, dass es sich hier um einen besonderen Wolf handelt. Dann erinnere ich mich, von ihm auch im Pilgerführer gelesen zu haben. 78 Jahre alt ist Wolf. Seit ca. 18 Jahren arbeitet er als freiwilliger Hospitalero in verschiedenen Pilgerherbergen. Aber – er lässt sich nicht irgendwohin schicken; nein, er selber sucht sich aus, welche Herberge er mit seiner Mitarbeit beehrt („Ich habe einen Ruf zu verlieren“). Er ist sozusagen eine Art lebendes Denkmal, eine Institution auf dem CAMINO.

Da ich noch etwas unentschlossen bin, ob ich hier bleiben möchte, zeigt mir Wolf erst einmal die ganze Herberge ─ lässt mich Atmosphäre schnuppern. Da fällt mir die Entscheidung nicht schwer zu bleiben.Rabanal Herberge El Pilar

Tipp: Herberge „El Pilar“ (= „die Säule“), Rabanal

Wolf empfiehlt mir eine Massage von einer Spanierin, die gegen Spende arbeitet. Ich buche einen Termin am Spätnachmittag und kümmere mich erst einmal um meine eigenen Sachen. Dann gehe ich zur Massage. Die gute Frau nimmt ihre Aufgabe sehr ernst. Immer fester werden ihre Griffe. Und dann, als ich auf dem Bauch liege und sie meinen Rücken bearbeitet, passiert das Malheur. In eine Art Reflex zucke ich mit den Beinen. Es ertönt ein Schreckensschrei. Ich drehe mich um: mit meiner abrupten Bewegung habe ich ihre Ölflasche umgestoßen und der Inhalt ist über meine ganze Hose gelaufen. Rasch führt sie die Massage zu Ende. Ich bezahle sie. Dann besorgt sie von irgendwoher ein konzentriertes Waschmittel und gießt das über meine Hosenbeine. Die nächste halbe Stunde kann man mich sehen, wie ich aus Leibeskräften mit dieser Flüssigkeit meine Hosenbeine schrubbe. Aber das Ergebnis ist ausgezeichnet: es bleibt kein Flecken sichtbar auf der Hose zurück. Eine Mitarbeiterin, die an der Herbergsbar arbeitet, schaut sich noch einmal meine Wunde an und erneuert dann nur die Salbenauflage. Die Heilung macht gute Fortschritte.

Auf einer gemalten Wandkarte kann ich zum ersten Mal das Ende meiner Wanderung bis Santiago finden und die Tage bis dort abzählen.Jakobsweg nach Santiago Wie groß ist meine Freude, als ich an Hand meiner Wettervoraussage abschätzen kann, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit bis Santiago nur noch gutes Wetter haben werde!

Später am Abend sitzen wir noch gemütlich zusammen mit verschiedenen Pilgern aus unterschiedlichen Ländern. Zwischendurch kommt auch Wolf nochmal hinzu. So nebenbei erfahre ich, dass er wohl so etwas wie „heilende Hände“ hat. So bitte ich ihn, mich auch damit zu beglücken, und etwa drei Minuten lang legt er – während er sich mit uns unterhält – auch mir die Hände auf die Schultern. Aber ich verspüre nichts und bin etwas enttäuscht.

Am nächsten Morgen, es ist gegen 07:30 Uhr noch nicht ganz hell, trete ich bei Wolf an zur „Rucksack-Sprechstunde“. Ob er wohl herausfindet, warum meine Schultern immer so schmerzen? Er guckt sich meinen Rucksack an, wie ich ihn aufgesetzt habe. „Oh“, sagt er stirnrunzelnd, „der ist ja viel zu locker eingestellt!“

Tipp: Und dann greift er in die Schnalle vom Bauchgurt und zieht den so stramm, dass mir einen Moment lang die Luft wegbleibt und mein (nicht vorhandener) Bauch herausquillt… Durch diese Maßnahme liegt der Outdoorer Tour Bag 50 fast nur noch auf den Beckenknochen auf und die Schultergurte sind jetzt total locker. Diesen Ratschlag hätte ich gerne schon früher bekommen, das hätte mir einige Schmerzen erspart.

Dieser Wandertag wird einer der schönsten für mich auf der ganzen Pilgerwanderung. Ich vermag es nicht zu sagen: ist es die Wirkung der Massage von gestern, sind es die heilenden Hände von Wolf oder der endlich richtig eingestellte Bauchgurt von meinem Rucksack, das Wandern ist für mich heute trotz weiterer Steigungen so mühelos… Unterwegs treffe ich auf Gerhard, den ich schon in der Herberge gesehen hatte. Auch er kommt aus der sozialen Arbeit: er betreut unbegleitete Flüchtlingskinder in einem Wohnheim in Süddeutschland – und so haben wir uns gegenseitig viel zu erzählen.

Die erste Rast für ein zweites Frühstück machen wir in Foncebadón in einer Bar mit herrlichem Ausblick in das benachbarte Tal.  Foncebadón Foncebadón Während Gerhard noch Proviant einkauft, höre ich aus den Fenstern der benachbarten Pilgerherberge Verdis Gefangenenchor aus „Nabucco“. Welch‘ seltsames Zusammentreffen…

Der Weg führt weiter über unbewaldete Höhen mit herrlichen Ausblicken, die sich leider nur unvollkommen als Foto ablichten lassen.JakobswegDann erreichen wir den Cruz de Ferro. Es ist allgemeiner Brauch, dass jeder Pilger dort einen Stein aus seiner Heimat hinterlegt als Symbol für all‘ das, was er nun als Last hinter sich lässt. Für mich ist dies irgendwie kein besonderer Ort. Cruz de FerroMeinen kleinen Stein aus der Heimat habe ich in der Eile des Aufbruchs zu Hause liegengelassen. Die Straße führt direkt an diesem großen Steinhaufen vorbei. Viele Pseudo-Pilger beobachte ich, wie sie mit Auto oder Reisebus vorbeikommen, ihr Steinchen am Cruz de Ferro abladen und weiterfahren.

Wenig später erreichen wir die Herberge Manjarin, laut Reiseführer bewirtschaftet von Tomas, der sich aus irgendwelchen Gründen in der Tradition der Tempelritter sieht. Jakobsweg Herberge ManjarinWir schauen uns dort kurz um: es ist ein Sammelsurium aus Bildern, Flaggenbannern, Emblemen und Gegenständen. Weil sich dort viele Menschen drängen, verziehen wir uns etwas abseits, um unsere Mittagsrast zu machen. Gerhard, der sehr gut Spanisch spricht und versteht, erzählt mir, dass der Sprachgebrauch der Templer in dieser Herberge sich wenig ritterlich anhört, sondern eher aus der Proll- und Fäkalsprache stammt.

Also halten wir uns dort nicht lange auf, sondern setzen unsere Wanderung fort mit atemberaubenden Ausblicken auf die Leóner Berge, die wir gerade überqueren. Jakobsweg - Ausblicken auf die Leóner BergeDann plötzlich kommen wir um eine Wegbiegung und vor uns liegt die Senke mit der Stadt Ponferrada. PonferradaAuf der anderen Seite winken schon die Galicischen Berge, das letzte große Hindernis vor Santiago. Der Weg neigt sich nun zum recht steilen Abstieg. Ich leihe Gerhard, der immer wieder Knieprobleme hatte, zum Abstieg meine Trekkingstöcke; sie scheinen ihm dabei eine gute Unterstützung zu sein. Zu unseren Füßen liegt als erstes das Dorf El Acebo. El Acebo Die Herbergen dort gefallen uns nicht besonders gut und so steigen wir weiter ab zum nächsten Dorf nach Riego de Ambrós.

Dort finden wir eine kleine einfache öffentliche Herberge.Herberge Albergue de PeregrinosDie Dusche ist zwar etwas schmuddelig, die Hospitalera aber sehr freundlich. Sie besorgt mir Verbandsmaterial, so dass Gerhard meine Wunde, die jetzt schon fast verheilt ist, neu verbinden kann.

Anschließend schauen wir uns noch ein wenig in diesem netten kleinen Dorf um.

Riego de Ambrós

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Der weitere Abstieg am nächsten Morgen ist steil und steinig, aber in der Morgenkühle gut zu schaffen.  JakobswegDer nächste Ort liegt dann schon am Fuß der Berge, es ist Molinaseca, mit einer wunderschönen Badestelle, aber das ist uns jetzt doch zu kalt…MolinasecaMolinaseca Gegen Mittag erreichen wir den Stadtrand von Ponferrada. Zwei Brücken führen dort über den Fluss: eine alte aus Steinen gemauerte und eine moderne geschwungene Brücke aus Beton. Ponferrada PonferradaHier trennen wir uns; Gerhard will sich hier in Ponferrada Trekkingstöcke kaufen und noch 10 Kilometer weiterwandern. Ich möchte hier bleiben und die Stadt erkunden. Für den nächsten Tag verabreden wir uns in der Herberge „Ave Fenix“ in Villafranca de Bierza.

Die öffentliche Herberge liegt etwas außerhalb der Innenstadt am Rande eines großen Platzes. Obwohl die Herberge erst am frühen Nachmittag öffnet, können wir uns im großzügigen Eingangsbereich aufhalten und uns mit Weintrauben stärken, die man für uns dort bereitgestellt hat.  Es sind etliche freiwillige Hospitaleros aus verschiedenen europäischen Ländern dort tätig und es herrscht eine nette offene Stimmung. Ponferrada

Am eindrucksvollsten bleibt mir in Ponferrada die mächtige Templerburg in Erinnerung oben auf dem Hügel über der Stadt. Castillo de PonferradaAber auch die Musik wird in Ponferrada gepflegt, wie man sehen kann.Ponferrada

AJakobswegm nächsten Morgen um 6:00 Uhr wandert einer der Hospitaleros mit schräger krächzender Stimme singend durch alle Räume um uns aus den Betten zu holen. Weil ich um 7:30 Uhr noch keinen Hunger habe, mache ich mich nüchtern auf den Weg. Es ist in dieser Stadt nicht ganz einfach, überall rechtzeitig die Wegbezeichnung zu finden, um aus der Stadt herauszukommen. Da ist es gut, dass eine liebe spanische Lady von ihrem Balkon herab mir in fließenden Spanisch zu verstehen gibt, dass der CAMINO direkt unter ihrem Balkon vorbeiführt. Im übernächsten Dorf finde ich dann eine Bar in einer neueröffneten Herberge, obwohl ein „Schlepper“ mich penetrant versucht in eine andere Herberge zu locken.

Der Weg führt durch einige Dörfer, wieder mit einigen verfallenden Häusern, und dann durch hügeliges fruchtbares Weinanbaugebiet, das sogenannte „Bierzo“, umgeben von den kantabrischen Bergen, die immer näher rücken. Weinbaugebiet BierzoMitten drin dann plötzlich ein Beispiel für interessante moderne Architektur: das Gebäude der regionalen Rundfunkbehörde.Rundfunkbehörde Die Weinernte in den Feldern ist noch in vollem Gange. Obwohl es mich sehr verlockt und ich mehrfach Weintrauben dort angeboten bekomme, verzichte ich darauf, weil die Spuren der Spritzmittel deutlich auf den Trauben zu erkennen sind. Weinernte Kurz vor Villafranca leuchtet etwas abseits vom Wegrand eine kleine weiße Kapelle zu uns herüber. Villafranca de Bierzo liegt richtig tief in einem Talkessel.Villafranca de Bierzo Die erste Herberge am Stadtrand namens „Ave Fenix“ ist geschlossen (wahrscheinlich wegen Ungezieferbefall). So klappt es mit dem Zusammentreffen mit Gerhard hier nicht. Ich wandere weiter hinunter in die kleine Stadt. In keinem Ort auf dem CAMINO habe ich eine so verwirrende Wegmarkierung mit den gelben Pfeilen angetroffen. Schließlich bin ich in der „Unterstadt“ gelandet und finde dort an der einzigen kleinen engen Durchgangsstraße eine gut ausgerüstete Herberge in einem schönen restaurierten alten Haus. Als ich meinen Rucksack im Schlafraum abstelle, um auszupacken, dreht sich mein Bettnachbar auf seiner Liege zu mir um. Wir machen beide große Augen: das ist doch Paul aus Australien, den ich schon in einer Bar in León getroffen hatte. Von nun an bis nach Santiago treffen wir uns immer wieder – meistens überhole ich Paul irgendwo – so dass er mich scherzhaft: „seinen Schatten“ nennt.

Am Nachmittag mache ich einige kleinere Einkäufe; aber, obwohl ich in den drei anderen Herbergen mich nach Gerhard umschaue, bleibt er verschwunden… schade! Dafür aber finde ich den Anfang des legendären CAMINO DURO, den „harten Weg“ über die Berge Richtung Trabadelo. Es ist schon seltsam, alle Einheimischen, alle Hospitaleros raten dringend von diesem Weg ab: da sei vor einigen Wochen ein Waldbrand gewesen, der Weg sei sowieso gesperrt, da gäbe es gar nichts zu sehen, usw. usw. – Nun, das macht mich erst recht neugierig und so mache ich mich noch am frühen Abend auf, um den Weganfang zu erkunden. Gleich hinter der Herberge kann ich den Fluss überqueren und nach wenigen Metern zweigt rechterhand eine steile Gasse ab, die den Berghang hinaufführt.

Villafranca de Bierzo Camino Duro Camino DuroUnd die gelben Wegpfeile? Die sind deutlich auf dem Boden der Gasse zu erkennen – aber alle sind mit schwarzer Farbe unkenntlich gemacht. Warum nur? …

…Fortsetzung folgt!

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