Unser Jakobsweg-Pilger Herr Lentz stellt sich der nächsten Etappe: Astorga – Villafranca del Bierzo. „Denn nur dem, der den Mut hat, den Weg zu gehen, offenbart sich der Weg.“ (Zitat von Paulo Coelho in „Sei wie ein Fluss, der still die Nacht durchströmt“)
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Auch mein Rucksack muss noch einmal verbunden werden. Mein Pilgermuschelabzeichen erweist sich als nicht haltbar genug auf der Rückseite des Rucksacks. Also kaufe ich mir in Astorga eine etwas unförmige Rolle „Panzertape“ (spanisch: cinta americana) und rahme mein Pilgerzeichen damit ein. Und das hält dann auch bis „ans Ende der Welt“…
Zunächst führt der Pilgerweg aus Astorga heraus entlang der Straße, schön gestaltete Häuser erfreuen das Auge und eine kleine Eremitage lädt zum kurzen Verweilen ein. 
→ Tipp: Unbedingt Weg-Alternative über Castrillo de los Polvares wählen.
Zu meinem Erstaunen bin ich aber der Einzige, der hier abbiegt und diesen kleinen Umweg beschreitet. Nach wenigen Kilometern erreiche ich dieses Dorf, eine Art Museumsdorf mit wunderschönen alten Häusern, Kopfsteinpflaster, verwinkelten Gassen. 


Aber – ich sehe niemanden auf der Straße, keine Menschenseele. Ich brauche zwanzig Minuten, bis ich etwas unterhalb der Dorfstraße ein kleines nettes Hotel entdecke, in dem ich einen Kaffee und ein Stück Kuchen bekomme. Die Hoteliers sind sehr gastfreundlich und mitteilsam und erzählen mir, dass der CAMINO ursprünglich hier entlangführte. Aber die Bezirksverwaltung von Astorga hat dann irgendwann entschieden, die Wegführung zu verändern. Offensichtlich wollten die Einwohner ihre Ruhe haben, denn die Pilger bringen zwar viel Betrieb, aber wenig Geld… Nach meiner Rast in dem netten Hotel stromere ich noch eine Weile im Dorf umher, schaue in einige Hinterhöfe und verlasse dann das Dorf. Und siehe da – am Dorfausgang stoße ich auch wieder auf den gelben Pfeil.
Ich erreiche wieder den Hauptweg. In den nächsten Dörfern sehe ich viele trostlos verfallene Häuser, die nicht mehr gepflegt werden. 
Der Weg steigt jetzt allmählich an und in der Mittagshitze ist jeder Schritt im Schatten schon eine Erholung.
Am Nachmittag erreiche ich Rabanal. 
Da ich noch etwas unentschlossen bin, ob ich hier bleiben möchte, zeigt mir Wolf erst einmal die ganze Herberge ─ lässt mich Atmosphäre schnuppern. Da fällt mir die Entscheidung nicht schwer zu bleiben.
→ Tipp: Herberge „El Pilar“ (= „die Säule“), Rabanal
Wolf empfiehlt mir eine Massage von einer Spanierin, die gegen Spende arbeitet. Ich buche einen Termin am Spätnachmittag und kümmere mich erst einmal um meine eigenen Sachen. Dann gehe ich zur Massage. Die gute Frau nimmt ihre Aufgabe sehr ernst. Immer fester werden ihre Griffe. Und dann, als ich auf dem Bauch liege und sie meinen Rücken bearbeitet, passiert das Malheur. In eine Art Reflex zucke ich mit den Beinen. Es ertönt ein Schreckensschrei. Ich drehe mich um: mit meiner abrupten Bewegung habe ich ihre Ölflasche umgestoßen und der Inhalt ist über meine ganze Hose gelaufen. Rasch führt sie die Massage zu Ende. Ich bezahle sie. Dann besorgt sie von irgendwoher ein konzentriertes Waschmittel und gießt das über meine Hosenbeine. Die nächste halbe Stunde kann man mich sehen, wie ich aus Leibeskräften mit dieser Flüssigkeit meine Hosenbeine schrubbe. Aber das Ergebnis ist ausgezeichnet: es bleibt kein Flecken sichtbar auf der Hose zurück. Eine Mitarbeiterin, die an der Herbergsbar arbeitet, schaut sich noch einmal meine Wunde an und erneuert dann nur die Salbenauflage. Die Heilung macht gute Fortschritte.
Auf einer gemalten Wandkarte kann ich zum ersten Mal das Ende meiner Wanderung bis Santiago finden und die Tage bis dort abzählen.
Später am Abend sitzen wir noch gemütlich zusammen mit verschiedenen Pilgern aus unterschiedlichen Ländern. Zwischendurch kommt auch Wolf nochmal hinzu. So nebenbei erfahre ich, dass er wohl so etwas wie „heilende Hände“ hat. So bitte ich ihn, mich auch damit zu beglücken, und etwa drei Minuten lang legt er – während er sich mit uns unterhält – auch mir die Hände auf die Schultern. Aber ich verspüre nichts und bin etwas enttäuscht.
Am nächsten Morgen, es ist gegen 07:30 Uhr noch nicht ganz hell, trete ich bei Wolf an zur „Rucksack-Sprechstunde“. Ob er wohl herausfindet, warum meine Schultern immer so schmerzen? Er guckt sich meinen Rucksack an, wie ich ihn aufgesetzt habe. „Oh“, sagt er stirnrunzelnd, „der ist ja viel zu locker eingestellt!“
→ Tipp: Und dann greift er in die Schnalle vom Bauchgurt und zieht den so stramm, dass mir einen Moment lang die Luft wegbleibt und mein (nicht vorhandener) Bauch herausquillt… Durch diese Maßnahme liegt der Outdoorer Tour Bag 50 fast nur noch auf den Beckenknochen auf und die Schultergurte sind jetzt total locker. Diesen Ratschlag hätte ich gerne schon früher bekommen, das hätte mir einige Schmerzen erspart.
Dieser Wandertag wird einer der schönsten für mich auf der ganzen Pilgerwanderung. Ich vermag es nicht zu sagen: ist es die Wirkung der Massage von gestern, sind es die heilenden Hände von Wolf oder der endlich richtig eingestellte Bauchgurt von meinem Rucksack, das Wandern ist für mich heute trotz weiterer Steigungen so mühelos… Unterwegs treffe ich auf Gerhard, den ich schon in der Herberge gesehen hatte. Auch er kommt aus der sozialen Arbeit: er betreut unbegleitete Flüchtlingskinder in einem Wohnheim in Süddeutschland – und so haben wir uns gegenseitig viel zu erzählen.
Die erste Rast für ein zweites Frühstück machen wir in Foncebadón in einer Bar mit herrlichem Ausblick in das benachbarte Tal. 
Der Weg führt weiter über unbewaldete Höhen mit herrlichen Ausblicken, die sich leider nur unvollkommen als Foto ablichten lassen.

Wenig später erreichen wir die Herberge Manjarin, laut Reiseführer bewirtschaftet von Tomas, der sich aus irgendwelchen Gründen in der Tradition der Tempelritter sieht. 
Also halten wir uns dort nicht lange auf, sondern setzen unsere Wanderung fort mit atemberaubenden Ausblicken auf die Leóner Berge, die wir gerade überqueren. 


Dort finden wir eine kleine einfache öffentliche Herberge.
Anschließend schauen wir uns noch ein wenig in diesem netten kleinen Dorf um.
Der weitere Abstieg am nächsten Morgen ist steil und steinig, aber in der Morgenkühle gut zu schaffen. 



Die öffentliche Herberge liegt etwas außerhalb der Innenstadt am Rande eines großen Platzes. Obwohl die Herberge erst am frühen Nachmittag öffnet, können wir uns im großzügigen Eingangsbereich aufhalten und uns mit Weintrauben stärken, die man für uns dort bereitgestellt hat. Es sind etliche freiwillige Hospitaleros aus verschiedenen europäischen Ländern dort tätig und es herrscht eine nette offene Stimmung. 
Am eindrucksvollsten bleibt mir in Ponferrada die mächtige Templerburg in Erinnerung oben auf dem Hügel über der Stadt. 
A
Der Weg führt durch einige Dörfer, wieder mit einigen verfallenden Häusern, und dann durch hügeliges fruchtbares Weinanbaugebiet, das sogenannte „Bierzo“, umgeben von den kantabrischen Bergen, die immer näher rücken. 



Am Nachmittag mache ich einige kleinere Einkäufe; aber, obwohl ich in den drei anderen Herbergen mich nach Gerhard umschaue, bleibt er verschwunden… schade! Dafür aber finde ich den Anfang des legendären CAMINO DURO, den „harten Weg“ über die Berge Richtung Trabadelo. Es ist schon seltsam, alle Einheimischen, alle Hospitaleros raten dringend von diesem Weg ab: da sei vor einigen Wochen ein Waldbrand gewesen, der Weg sei sowieso gesperrt, da gäbe es gar nichts zu sehen, usw. usw. – Nun, das macht mich erst recht neugierig und so mache ich mich noch am frühen Abend auf, um den Weganfang zu erkunden. Gleich hinter der Herberge kann ich den Fluss überqueren und nach wenigen Metern zweigt rechterhand eine steile Gasse ab, die den Berghang hinaufführt.














